herzlichen Dank für das aufschlußreiche Gespräch am vergangenen Dienstag. Sie hatten uns über eine Sachlage informiert, die sich nach unserem Verständnis wie folgt verändert hat:
1. Ihr Haus hatte Widerspruch gegen die verm├╢gensrechtliche Zuordnung an die Oberfinanzdirektion Berlin u.a. f├╝r das Grundst├╝ck, auf dem das Kunsthaus Tacheles steht, eingelegt.
2. Die Senatsverwaltung f├╝r Finanzen hat k├╝rzlich Ihr Haus aufgefordert, die Grundst├╝cke zu erwerben und entsprechende Mittel aus ihrem Haushalt daf├╝r bereitzustellen. Dabei ist nicht erkennbar, weshalb dies zu diesem Zeitpunkt erfolgt ist.
3. Dieses Verhalten der Senatsverwaltung für Finanzen hatte zur Folge, daß Sie Ihren Widerspruch gegen die Grundstückszuordnung an die OFD zurückgenommen haben, so daß innerhalb von voraussichtlich zwei Monaten die OFD als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen sein wird. Die OFD hat daraufhin angekündigt, als Eigentümerin das Kunsthaus wegen fehlender Verkehrssicherung räumen zu lassen.
4. Herr Radunski hat daraufhin Hern Jagdfeld und die OFD zu einem Gespräch gebeten. Ergebnis des Gesprächs war das wirtschaftliche Angebot von Herrn Jagdfeld, das Tacheles für den Zeitraum von zehn Jahren zu erhalten, die Verkehrssicherung herzustellen und als Gegenleistung "eine DM" zu verlangen. Die näheren Bedingungen des Angebots sind nicht konkretisiert worden.
5. Sie hatten es ├╝bernommen, uns dieses Angebot zu ├╝bermitteln und - soweit wir damit einverstanden sind - die Verhandlungen zwischen Investor und uns zu moderieren.
Wir sind von der Sachlage und der plötzlichen Beschleunigung des Verfahrens überrascht. Das Verhalten der Senatsverwaltung für Finanzen ist uns nicht verständlich.
Für das Angebot werden wir uns bei Herrn Jagdfeld persönlich bedanken und sehen hierin eine gute Gesprächsgrundlage. Mit Ihrem Angebot, solche nun kurzfristig notwendig werdenden Gespräche zu moderieren, sind wir einverstanden. Dafür nochmals herzlichen Dank.
Eine abschließende qualifizierte Beurteilung des Angebots ist uns wegen der noch fehlenden Konkretisierung nicht möglich. Bisherige Gesprächsgrundlage zwischen Herrn Jagdfeld und Tacheles war ein Mietmodell mit einer Perspektive von 30 Jahren (Vertragsverlängerungsoptionen) und einer durch das Gesamtprojekt subventionierten Staffelmiete von
ΓÇó die ersten 5 Jahre mietfrei
ΓÇó weitere 5 Jahre f├╝r 5 DM/qm mtl.
ΓÇó weitere 5 Jahre f├╝r 10 DM/qm mtl.
ΓÇó weitere 5 Jahre f├╝r 15 DM/qm mtl.
ΓÇó weitere 20 Jahre f├╝r 20 DM/qm mtl.
ΓÇó weitere 5 Jahre f├╝r 25 DM/qm mtl.
Oberflächlich betrachtet ist das neue Angebot besser, sofern für den Zeitraum nach dem zehnten Jahr nicht schlechtere Bedingungen gemeint sind, als im Vergleich zu der bisherigen Gesprächsgrundlage.
Unsere wesentlichen Beurteilungskriterien f├╝r die einzelnen L├╢sungsschritte zum Erhalt des Kunsthauses werden sein, ob unsere drei Kernziele mit diesen Schritten erreicht werden k├╢nnen:
• Das Kunsthaus Tacheles muß dauerhaft erhalten werden.
• Die finanziellen Bedingungen des Erhalts müssen tragfähig sein.
• Die Unabhängigkeit der inhaltlichen Arbeit des Hauses muß sichergestellt sein.
Bevor jedoch die Regelung der Beziehungen zwischen Herrn Jagdfeld und uns für eine langfristige Partnerschaft im Detail besprochen werden kann, ist eine grundsätzliche Interessenabklärung notwendig. Ohne daß eine Interessenabklärung erfolgt ist, d.h. Tacheles und Herr Jagdfeld die jeweiligen Interessen des anderen verstanden haben und verbindlich akzeptieren, wird eine Partnerschaft nicht erfolgreich sein.
Wir haben in den bisherigen Gesprächen an Herrn Jagdfeld die Erwartung gerichtet, daß er ohne wirtschaftliche und steuerliche Nachteile gegenüber seinem bisherigen Staffelmietkonzept (abgesehen von einer Verwertung des Grundstücks nach dem Jahr 30, die barwertmäßig heute kaum ins Gewicht fällt) den Subventionswert (Barwert der Differenz aus Kostenmiete und Staffelmiete) in eine Stiftung einbringt. Die steuerliche Machbarkeit haben wir durch Herrn Rechtsanwalt Papenfuß prüfen lassen.
Wir wollen nochmal ausdrücklich betonen, daß wir nicht eine "barmherzige Leistung" aus dem Privatvermögen von Herrn Jagdfeld erwarten, sondern die durch die Einbeziehung des Kunsthaus Tacheles in das Gesamtprojekt realsierbar werdenden wirtschaftlichen Effekte zu dessen dauerhaften Erhaltung einsetzen wollen. Tacheles als Teil des Gesamtprojektes verursacht nicht nur Sanierungskosten, sondern fördert als "Kunsthausanker" und damit Ersatz für den "Kaufhausanker" die wirtschaftliche Verwertung des Gesamtprojektes.
Unsere Erwartungen an Herrn Jagdfeld orientieren sich an den Möglichkeiten innerhalb der Gesamtwirtschaftlichkeit des Projektes. Unser Ziel ist ein ausgewogenes Verhältnis von Leistung ("Kunsthausanker" mit der Folge der verbesserten Grundstücksverwertung insgesamt) und Gegenleistung (dauerhafter Erhalt Tacheles). Um aber verstehen zu können, was tatsächlich machbar ist, müssen wir die Planungen und insbesondere die wirtschaftlichen Rahmendaten des Projektes kennenlernen.
Wir begreifen das neuere Angebot von Herrn Jagdfeld zunächst als eine erste Reaktion auf die Räumungsandrohung durch die OFD. In welcher rechtsverbindlichen Form jedoch die Verkehrsichersicherungpflicht auf Herrn Jagdfeld übergehen und die Verkehrsicherheit kurzfristig hergestellt werden kann, ist uns nicht klar. Nach unserer Kenntnis ist bisher zwischen der OFD und Herrn Jagdfeld kein wirksamer Grundstückskaufvertrag zustande gekommen. Damit hat die Verbindlichkeit des Gesamtprojektes Mängel, die das erhebliche finanzielle Engagement von Herrn Jagdfeld berühren.
Bisher haben wir Herrn Jagdfeld so verstanden, daß er nicht nur das Tacheles fördern, sondern mit der Förderung vor allem die wirtschaftliche Verwertung des angrenzenden Grundstückes verbessern will. Das zeigt, daß eine Lösung zum Erhalt von Tacheles nicht unabhängig von der gleichzeitig stattfindenden, verbindlichen Klärung der Grundstücksfragen ist.
Wir meinen, daß zunächst geklärt werden muß, ob und wenn ja in welchem Umfang die Verkehrssicherung für Tacheles nicht gewährleistet ist. In einem zweiten Schritt sollte konkretisiert werden, mit welchen Maßnahmen und für welche Nutzungen innerhalb welchen Zeitraums die Verkehrsicherung hergestellt werden kann. Soweit die Verkehrsicherung nicht gewährleistet ist, muß auch im Interesse der Nutzer des Hauses untersucht werden, welche rechtlichen Folgen dies für Nutzer, Verein und Grundstückseigentümer hat.
Wir schlagen vor, baldmöglichst mit der Bauaufsicht ein informelles Gespräch zu führen. Ein solches Gespräch sollte von Tacheles und einem Verteter von Herrn Jagdfeld gemeinsam geführt werden. Mögliche Termine werden wir bei der Bauaufsicht kurzfristig erfragen.
Wenn die OFD schon in Kürze Eigentümerin des Grundstücks wird, muß auch untersucht werden, inwieweit durch Abschluß eines Nutzungsvertrages zwischen OFD und Tacheles e.V. die Verkehrssicherungspflicht nicht durch uns vollständig - soweit überhaupt möglich - selbst übernommen werden kann. Hierzu werden wir unabhängig von den durch Sie zu moderierenden Gesprächen mit Herrn Jagdfeld uns kurzfristig an die OFD wenden und förmlich den Abschluß eines entsprechenden Vertrages anbieten.
Für ein erstes Gespräch könnten wir an folgenden Terminen zur Verfügung stehen: am 23-09-96 ab 19 Uhr, am 24-09-96 oder am 25-09-96. Wir sollten die Gespräche bis auf weiteres vertraulich führen. Sie hatten bereits signalisiert, damit einverstanden zu sein.